„Du wirst eingewechselt und es steht vier null gegen dich“

Robert Habeck wollte 2021 Kanzlerkandidat werden und musste Annalena Baerbock den Vortritt lassen. Jetzt bekommt er seine Chance — doch die Stimmung hat sich längst gegen die Grünen gedreht.

Oct 1, 2024 - 08:00
„Du wirst eingewechselt und es steht vier null gegen dich“

POLITICO: Herr Habeck, wie viel Sommerstimmung ist bei Ihnen eigentlich vorhanden? Sie waren gerade auf Tour — auf der anderen Seite stecken Sie mitten in neuen Haushaltsfragen.

Robert Habeck: Aber es ist sehr warm, politisch ist es auch heiß, muss man geradezu sagen. Und trotzdem war es bisher ein super Sommer persönlich. Und es hat auch viel Freude gemacht, die Olympiade zu gucken. Und bald holen wir sie nach Deutschland.

POLITICO: Jetzt müssen wir trotzdem noch einmal auf den Haushalt eingehen. Wir haben Donnerstagmorgen, wir warten jetzt wirklich unmittelbar auf eine Lösung. Wird es diese Woche noch eine geben?

Habeck: Ja

POLITICO: Und wie wird die dann aussehen? Das ist ja ein ungelöster Konflikt bisher.

Habeck: Die wird so aussehen, dass die globale Minderausgabe — das ja ein bisschen technisch — also das Geld, das erwirtschaftet werden muss, im Haushaltsvollzug, kleiner sein wird, als sie bei der Vorstellung war. Da waren es 16 Milliarden, das wird runtergehen.

POLITICO: So weit runtergehen, dass man einstellig ist?

Habeck: Das wäre mein Ziel. Aber das kann ich Ihnen nicht komplett versprechen.

POLITICO: Wie kann man diesen Konflikt erklären? Wir hatten jetzt vor einigen Wochen eine Einigung nach vielen Stunden und vielen Treffen, die Sie gemeinsam mit Christian Lindner und Olaf Scholz hatten. Und dann hat diese Einigung nur so einen kurzen Bestand. Was sagt das über die Ampel?

Habeck: Ja, wenn wir da gesprochen haben, ist ja nichts nach außen gedrungen. Das waren lange und viele Stunden, vielleicht auch immer wieder zu viele, aber das ist ein kompliziertes Bündnis, da muß man ja nicht drum herumreden. Aber es ist eben nichts nach draußen gedrungen. Und wäre jetzt nichts nach draußen gedrungen, hätte man das Ding auch leise und ruhig abräumen können, glaube ich. Das ist etzt keine besonders kluge Erkenntnis, aber es ist ein Allerweltswissen, das gilt auch für die Politik: Wenn man sich öffentlich festlegt, dass was nicht geht, oder das was unbedingt kommen muss oder dass man das so oder so sieht, dann verbrennt man meistens die Flexibilität in den Verhandlungen. Und so war es ein bisschen. Das heißt, wir haben jetzt zehn Tage öffentliche Debatte, die wirklich für die Füße war. Das hätten wir uns alles gut sparen können.

POLITICO: Und die wahrscheinlich auch Vertrauen zwischen den drei wichtigsten Partnern zerstört oder beschädigt hat.

Habeck: Ach, wir vertrauen uns schon. Im Sinne von, dass wir miteinander die Probleme ehrlich ansprechen können und immer wieder ja auch Lösungen gefunden haben. Aber das Vertrauen, sagen wir mal, ist dann besser, wenn man erst eine Lösung hat und sie dann präsentiert, statt die Einladung auszusprechen, jeder darf jetzt wieder über den anderen schlecht reden. Das ist einfach – man will es ja gar nicht mehr erleben und ansehen will man es auch nicht.

POLITICO: Haben Sie sich manchmal gedacht, man hätte ganz grundsätzlich die Koalition anders angehen müssen, um solche Situationen zu vermeiden?

Habeck: Ich glaube das war nicht möglich. Also das da diese Koalition große Probleme hat zueinander zu finden ist ja ganz ganz offensichtlich. Sie ist halt für was anderes gegründet worden.

POLITICO: Für was?

Habeck: Für Fortschritt, so hieß es. So haben wir uns aufgestellt nach den Jahren der Großen Koalition, wo ja – das muss man ja ehrlicherweise sagen, und das muss man dieser Regierung auch zugutehalten – in der Vergangenheit wirklich im Grunde alles, was problematisch war, also überall, wo irgendeiner Sorge haben musste, dass irgendeiner was dagegen ist, das wurde nicht angepackt. Das ist alles liegengeblieben. Also Windkraftausbau, Stromnetzausbau, Digitalisierung, Fachkräftezuwanderung, Unabhängigkeit von Russland, kritisches Hinterfragen der Beziehungen zu China. Nix, nix, nix wurde gemacht. Das war ja ein riesen Berg an ungelösten Problemen, von maroden Brücken bis zu fehlender Digitalisierung unserer Stromnetze und der öffentlichen Verwaltung. Dass wir immer noch mit dem Papierkram, also Aktenordner, bei Genehmigungsverfahren abgeben müssen. Wir machen uns ja lächerlich. Aber das ist natürlich kein Problem der Ampel. Das haben wir alles geerbt. Und deswegen sind wir ja angetreten und haben gesagt: Jetzt räumen wir damit auf und sind eine moderne Regierung, von Digitalisierung bis zu Bürgerrechten. Und zu einer modernen Politik gehören dann auch die Klimaschutzmaßnahmen, neue Technologien. Und dann kam der russische Krieg, also Putins Angriffskrieg auf die Ukraine. Und auf einmal wurden die wirtschafts und fiskalpolitischen Fragen dominant. Wie viel Schulden musst du aufnehmen, um eine Wirtschaftskrise abzuwehren? Wie viel Schulden musst du aufnehmen, um die Bundeswehr auf Vordermann zu bringen? Wie viel Geld musst du ausgeben, oder wollen wir ausgeben, um eine Millionen Geflüchtete aus der Ukraine aufzunehmen? Das sind aber alles Fragen, die vorher nicht diskutiert wurden. Dafür gab es keine Antwort. Und dann haben wir uns…

POLITICO: Aber dann ist die Ampel nicht krisenfest.

Habeck: In der Krise haben wir die Antwort gefunden. Also wir haben dann ja ein Sondervermögen für die Energiekosten geschaffen. Wir haben dann ein Sondervermögen für die Bundeswehr geschaffen. Aber mit dem, wie soll ich sagen, mit dem Abschwellen des unmittelbaren Krisenbewusstseins, also jetzt ist sowieso egal, was wir mal jeweils beschlossen haben, wir müssen jetzt schnell handeln, das ist ja auch in einem allgemeinen Empfinden so übergegangen in eine „die Zeiten sind nun mal schwierig“-Haltung, also das Unmittelbare, das „keine Sekunde darfst du zögern“, ist ja sowohl im politischen Raum wie auch in der öffentlichen Debatte gewechselt zu „Oje, wie soll das alles bloß werden?“ Und in dieser Phase fanden wir dann nicht mehr so schnell Antworten, die weitreichend genug sind, um die Probleme wirklich schnell und konsequent zu bekämpfen. Das ist sozusagen die Erklärung, am Ende keine Entschuldigung, aber das ist eben nie diskutiert worden. Weder im Wahlkampf noch im Koalitionsvertrag, so dass dann, wenn es darauf ankommt, sich alle immer ihre Grundsatzpositionen von Parteitagsbeschlüssen vorhalten, die ja auch egal sind. Ich meine, das ist ja die schlechteste Antwort bei einem konkreten Problem für die Gegenwart zu sagen: Das haben wir aber vor 15 Jahren anders entschieden. Das ist natürlich ein Beschluss, der überhaupt nicht auf die Realität passt. Und das erklärt das ein bisschen. Soll keine Entschuldigung sein, aber man kann es so einordnen. Wahrscheinlich wäre jede Regierung mit sehr unterschiedlichen Partnern, die wir nun mal sind, sehr unter Druck geraten. Wir sind es auch.

POLITICO: Und wir sind an dem Punkt, an dem die Ampel eigentlich keine gemeinsame Idee mehr hat und sich durch das letzte Jahr noch retten muss.

Habeck: Na ja, jedenfalls fallen die Ideen auseinander. Wir haben ja jetzt in der letzten Woche ein Trommelwerk von Ideen der FDP gehört, also mehr Autos in die Innenstädte. Ein merkwürdiger Slogan, finde ich. Hat aber auch nicht viel Beifall gefunden. Dann die Abschaffung von einem Ministerium.

POLITICO: Wie sehen Sie eigentlich so eine Idee?

Habeck: Ja, ich sehe es erstmal so, dass in einer problematischen Phase einer Beziehung, wenn ich so sagen darf, Dinge dann erfolgreich sind…

POLITICO: …In einer toxischen Beziehung…

Habeck: Das würde ich nicht sagen. Aber es ist kompliziert, um Facebook zu zitieren. Man gewinnt dann natürlich mehr Glaubwürdigkeit, wenn man vor der eigenen Haustür kehrt, statt zu sagen, „Oh, bei dir ist aber dreckig“. Also hätte die FDP vorgeschlagen, das Finanzministerium abzuschaffen, statt das Entwicklungshilfeministerium, da hätte ich gesagt „Ja, das hätte ich gar nicht euch zugetraut“. Ist klar, dass das natürlich nicht geht, ist nicht mein Vorschlag, das Finanzministerium abzuschaffen, aber im eigenen Bereich mal was ganz Unerwartetes zu tun und darauf dann zu setzen, dass die andere Partei, der andere Partner dann ebenfalls im eigenen Bereich etwas Überraschendes tut, das ist ja der eigentliche Weg, Konflikte zu lösen. Aber da würde ich Ihnen nicht widersprechen. Dafür haben die Koalitionspartner im Moment nicht mehr die Kraft. Insofern passiert immer das Erwartete und es nervt alle und langweilt die Beteiligten.

POLITICO: Aber es gibt eigentlich, so wie man jetzt zusammenarbeitet, keine Chance, dass es eine Perspektive auf eine Zusammenarbeit über 2025 hinaus gibt.

Habeck: Keine Chance, würde ich nicht sagen. Die Dinge sind ja hochdynamisch. Also immer passiert ja was Neues von… Also die Große Koalition, das will ich in Erinnerung rufen, war wankend, scheintot – und dann kam Corona. Sowas wünsche ich natürlich nicht, dass irgendwie die nächste externe Krise kommt. Aber wir leben in krisenbesetzten Zeiten, natürlich kann da was passieren. Es kann auch sein, dass neue Themen auf einmal wichtig werden, die in der in der politischen Bedeutung die Konflikte, die wir jetzt im Finanziellen haben, überstrahlen. Also der Nahe Osten ist hoch angespannt, China kriegt seine Wirtschaft nicht gefixt, die Wahlen in den USA stehen vor der Tür. Nun hat Harris das Momentum zurückgeholt, was ich sehr, sehr super finde, aber keiner kann jetzt sich zurücklehnen und glauben, dass Donald Trump nicht gewinnt. Also da kann noch viel passieren, was die gesellschaftliche, die politische Dynamik verändert. Aber das wäre Hoffen auf externe Faktoren. Und meine Antwort, wenn ich die geben darf, das, worauf ich hin arbeite und was ich will, was wir verändern, ist, dass wir selber, wir in Deutschland, eine eigene Antwort geben. Und die kann nicht geprägt sein durch Missgunst und Vorwürfe, immer an die anderen, sondern wir müssen so was wie die Vernunft, das vernunftbegabte Schweigen der Mehrheit der Bevölkerung – das muss sich wieder artikulieren. Und leider, leider sieht es im Moment nicht so aus, weil alles hasserfüllt ist und sich spaltet und teilt. Aber das ist ja ein Arbeitsauftrag, da können wir nicht stehenbleiben. Vor allem sollten wirs nicht immer mehr verstärken.

POLITICO: Machen wir es mal ganz konkret, wenn wir auch darüber nachdenken, wie vielleicht eine Zusammenarbeit aussehen kann über 2025 hinaus. Können Sie sich vorstellen, dass es ein schwarz-grünes-Revival oder ein Revival der schwarz-grünen-Idee gibt?

Habeck: Ich glaube, man muss erst mal über das Land reden und über den Diskurs. Und ich habe heute in einem Artikel gelesen, wo es darum ging, dass die Union mit einer Donald Trump nahen Stiftung eine Kooperation hat. Also das konnte ich schon gar nicht glauben. Aber dann stand es da und Jens Spahn hat sich ja, also ich würde schon fast sagen rangerobbt an Donald Trump. Also schwer irritierend finde ich ehrlicherweise.

POLITICO: Aber man kann genauso gut sagen, es macht Sinn, sich mit jemandem Kontakte aufzubauen, der womöglich Präsident wird.

Habeck: Aber er hat das nicht gesagt. Er hat gesagt…

POLITICO: Doch, hat er gesagt.

Habeck: Ja, das hat er auch gesagt. Aber vor allem hat er gesagt, wir haben mehr mit Donald Trump gemeinsam, als man so denkt. Sinngemäß, ist jetzt nicht wörtlich zitiert. Das finde ich jetzt schon… Ja bitte, viel Spaß. Das wird dann ein interessanter Wahlkampf und jetzt noch diese Stiftungsgeschichte dazu. Und dann habe ich aber in dem Artikel eine Stimme aus der Union, sie wurde nicht zitiert, gelesen und die hat gesagt, wir haben ein geistig moralisches Vakuum, wir haben keine geistig moralische Führung. Das geistig Moralische, das habe ich mir gemerkt, das Nomen habe ich nicht mehr genau in Erinnerung, aber das ist auch egal. Und ich will das so übersetzen: Die Merkellücke in der Union wird täglich größer. Und mit Merkel Lücke meine ich, ich habe ja eben schon darüber gesprochen, dass viele Dinge nicht entschieden waren in Deutschland, dass der Preis für diese lange Normalität möglicherweise auch eine gewisse Anspruchslosigkeit im politischen Doing und in der Zumutung war. Aber andererseits hatte die Union immer einen klaren moralischen Kompass. Sie wusste immer, dass sie das Land zusammenhalten muss. Und jetzt im Moment zerfällt die Partei. Während ich den Artikel las, über die Zusammenarbeit der Union mit der Trump Partei oder einer Trump nahen Stiftung, kamen Bilder rein aus dem sächsischen Wahlkampf, wo die sächsische Union nun plakatiert „Grüne kurz halten“. In einer Zeit, wo die AfD sich anschickt, die demokratische Ordnung zu zerstören, wo Sahra Wagenknechts Bündnis sich an Russland also unterwürfig geradezu zeigt, glaubt Herr Kretschmer unwidersprochen von der Parteiführung, dass die Grünen der Hauptgegner der Union sind. Das ist ja, also ich würde es fast schon sagen, eine geschichtliche Verirrung.

POLITICO: Na gut, aber er möchte natürlich der AfD die Stimmen abjagen. Und am Ende geht es natürlich darum, ob er oder die AfD.

Habeck: So kann man natürlich jedes verunglimpfen und jeden Populismus rechtfertigen. Ich finde, dass das das falsche Rezept ist und darüber rede ich aber insgesamt. Ich habe eigentlich ein ganz gutes Verhältnis zu Herrn Kretschmer. Ich will es so formulieren: Wenn wir glauben, wir überwinden den Populismus, indem wir uns die Mittel des Populismus aneignen, dann sind wir mit dem Klammerbeutel gepudert. Das ist falsch, das kann nur schiefgehen. Das heißt, wenn wir versuchen, also wir heißt die demokratische Mitte, die Parteien, die in Deutschland traditionell Regierungsstellen glauben, indem wir so reden wie die AfD, werden wir die AfD los, dann geht das schief. Und das wird auch bei der Union so sein. Statt sich hinzustellen und zu sagen, wir mögen als Demokraten unterschiedliche Meinungen haben, das ist ja völlig in Ordnung, aber als Demokraten wissen wir auch, dass wir uns nicht gegenseitig verunglimpfen müssen. Wir haben ein klares Bewusstsein, wer die Feinde der Demokratie sind, wer ein Land spalten und ruinieren will und wer bei unterschiedlichen Meinungen daran arbeitet, dass der gesellschaftliche Konsens stabil ist. Und da kann man auch keine Rosinenpickerei betreiben. Man kann nicht einerseits Danke sagen, Grüne, dass ihr die Mehrheit für Ursula von der Leyen auf europäischer Ebene sicherstellt. Toll, was ihr für eine Verantwortungsbereitschaft habt. Aber in Sachsen, da wollen wir das Grün kurz halten. Und das ist Eiern. Das ist politisch intellektuell eine Geisterbahnfahrt, die das Gegenteil von politischer Führung ist. Und ich sehe, dass die Union — die ist führungslos, das muss ich sagen. Sie ist politisch, intellektuell führungslos. Und das wird auch in der Union zunehmend gesehen.

POLITICO: Haben Sie das Gefühl, dass das, was Sie da gerade beschreiben, also quasi dem Populismus sich entgegenstellen, dass das quasi der neue Markenkern der Grünen unter ihrer Führung, in welcher Art auch immer, sein kann?

Habeck: Was heißt Markenkern? Ich will gar nicht als Parteipolitiker reden, aber ich kann sagen, was meine politische Agenda ist. Und das ist jetzt nichts Neues. Ich habe die Bundeskanzlerin Merkel immer sehr geschätzt für ihr ausgleichendes Wesen und auch für die Normalität, also das Sehen der alltäglichen Sorgen der Menschen und im Grunde auch das Sprechen einer Sprache, die man verstanden hat. Ich habe sie weniger geschätzt dafür, die Dinge so lange liegen zu lassen. Das ist dann ja auch in Sätzen ausgesprochen worden: Politik ist eben das, was möglich ist. Das ist natürlich ein sehr geringer Anspruch. Politik muss schon sich daran messen lassen, Dinge möglich zu machen, den Möglichkeitsraum zu erweitern. Und aus meiner Sicht ist das die Kombination, die gesellschaftlich offen steht. Also reale Probleme konkret lösen, dann nicht weglaufen, nicht feige sein, nicht sagen „Oh, das könnte unangenehm sein. Da gibt es eine schwierige Debatte. Vielleicht gibt es zwei, drei Tage schlechte Presse, dann mache ich es mal lieber nicht“. Diese Gefallsucht, nicht anecken zu wollen, das hilft uns wirklich nicht weiter. Und gleichzeitig das Land zusammenhalten, zusammenführen. Und zwar entlang von Werten, also einem Konsens, der auf Freiheit, Demokratie, Selbstbestimmung der Menschen beruht. Und da nicht rumeiern und glauben, wenn man 2 % mehr bekommt, kann man mal dumpfe Parolen raushauen. In dem Sinne wäre es sozusagen Merkels Ermelin und in die Zukunft wenden. Und da glaube ich, da ist ein Raum nicht besetzt. Und wenn wir den besetzen können, dann ist das eine hehre Aufgabe. Ja, der würde ich mich gerne stellen wollen.

POLITICO: Dann würden Sie sich mit einem Koalitionspartner einlassen, der genau das nicht ist.

Habeck: Im Moment habe ich ja zwei Koalitionspartner, und damit bin ich schon reich beschenkt.

POLITICO: Okay, also Sie wollen nicht darüber reden, mit wem Sie zusammenarbeiten wollen.

Habeck: Keiner kann darüber reden, weil erstens in einem Jahr ganz viel passieren kann. Ich meine die USA, weil sie ist uns ja ein Beispiel, nach dem Anschlag auf Donald Trump, den ich politisch wirklich nicht schätze, aber es darf nicht geschossen werden in einem Wahlkampf auf Menschen. Das war etwas ganz Schlimmes. Trotzdem, nach diesem Attentat, nach dem Ohrschuss von Donald Trump und da sind ja Menschen gestorben, also nach dem Attentat dachten wir alle, der Wahlkampf ist gelaufen, zumal mit Joe Biden. Und dann auf einmal gibt es ein komplett anderes Momentum. Das ist 100 Tage vor der Wahl, also drei Monate. Das wäre so, als ob wir jetzt im Juni/Juli reden würden. Also da kann noch ganz viel passieren in alle Richtungen. Extern schlechtes, Situation Naher Osten, Situation in der Ukraine und Gutes auch. Natürlich kann sich die Stimmung im Land aufhellen. Die Wirtschaft kommt in den Aufschwung rein und wir verstehen wieder, was die die politisch intellektuelle Substanz des Landes war, nämlich Widersprüche nicht zu Feindschaften werden zu lassen, sondern in ein Gespräch des Ausgleichs zu überführen.

POLITICO: Und glauben Sie auch, dass man wieder so eine Art middle ground finden kann? Ich denk da jetzt mal daran, dass Sie ja schon mal mit einem CDU-Politiker koaliert haben, der sich ja sehr in die Mitte entwickelt hat.

Habeck: Und auch mit einem FDP Politiker, das war damals Wolfgang Kubicki. Damals ging es.

POLITICO: Und würde so eine Entwicklung mit Friedrich Merz sich wiederholen können?

Habeck: Im Wahlkampf — wann war das wohl, 2017? — mit Daniel Günther haben wir uns wenig geschenkt und Daniel Günther hat damals oder die CDU unter Daniel Günther in Schleswig Holstein hatte damals so besondere Vorschriften wie „Wir führen eine Schweinefleischpflicht in jeder Kita ein“. Also immer Freitags wird gegrillt, damit alle mal merken, wie unsere Kultur gut schmeckt. Auch diejenigen, die per Religion kein Schweinefleisch essen sollen. Oder „Wir filmen jede Abschiebung und übertragen sie bei YouTube”. Und dann haben wir geredet und heute ist Daniel Günther, finde ich, ein großer, guter Ministerpräsident meines Bundeslandes und noch immer ein politischer Freund. Dinge entwickeln sich, Menschen entwickeln sich — im Moment leider in vielerlei Hinsicht. Sahra Wagenknecht, im Moment eiernt die Union, die AfD, die wirklich die Grundstreben des Landes ansägt, in die falsche Richtung, zu sehr in die falsche Richtung. Aber das kann man kontern, indem alle, die im Moment, wie soll ich sagen, wahrscheinlich irritiert bis angewidert weggucken und sagen „Was ist da eigentlich los?“ fordern, dass man sehend, was die Position der anderen Seite ist, sich aufeinander zubewegt und Probleme löst und nicht diejenigen beklatscht, die das Land immer weiter in eine politische Handlungsunfähigkeit treiben. Das liegt an uns. Wir, die Menschen in Deutschland, entscheiden, wie Deutschland sein soll.

POLITICO: Wie fühlt es sich eigentlich an? Sie sagen Sahra Wagenknecht und die Union, da werden Sie ja von zwei verschiedenen Seiten auch in gewisser Weise in die Klemme genommen. Das eine für die grüne Politik, das andere für die Militärpolitik, wenn Sie so wollen, auch oder für die Unterstützung der Ukraine. Wie fühlt es sich eigentlich an, auf einmal so polarisierende Politik im Auge von vielen zu machen?

Habeck: Also Sahra Wagenknechts Partei hat in Thüringen gerade ein Plakat veröffentlicht mit Blick auf die Ukraine, das heißt „Mörder oder Frieden“. Und das ist eine moralische Unverschämtheit und Bodenlosigkeit, die schwer zu ertragen ist. Man kann ja unterschiedlicher Auffassung sein, was den Ukrainekrieg angeht. Wobei mir das auch schon schwerfällt, denn der Kampf der Ukraine, es ja klar, wer angegriffen hat. Da muss man ja wirklich gar nichts mitgekriegt haben oder sich bewusst dumm stellen, um der russischen Propaganda zu glauben, dass die Ukraine den Krieg vom Zaun gebrochen hat. Das ist einfach eine Lüge. Und auf Lügen soll man keinen Wahlkampf aufbauen. So, aber meinetwegen gibt es bei der Unterstützung der militärischen Unterstützung und meinetwegen auch bei der Frage, ob wir geflüchtete Menschen aus der Ukraine aufnehmen, unterschiedliche Meinungen. Das darf man haben. Aber diejenigen, die den Kampf der Freiheit der Ukraine unterstützen, nicht als „Ihr habt politisch eine andere Meinung als ich und ich erkläre euch jetzt, warum meine Meinung eine bessere ist”, sondern als Mörder zu bezeichnen, schafft eben genau diese Spaltung im Land. Da ist kein Gespräch mehr möglich.

POLITICO: Sie würden das ausschließen, eine Zusammenarbeit mit dem BSW?

Habeck: Na ja, erst mal hat das Sarah Wagenknecht ausgeschlossen. Und ich befinde mich überhauptnicht in der Position, was auszuschließen. Ich kann jedenfalls mir nicht vorstellen, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die mich für einen Mörder halten, wenn ich oder wir oder die Bundesregierung damit gemeint ist, was nicht heißt, dass wenn ich das richtig sehe, ist die die Spitzenkandidatin in Thüringen eine gestandene Kommunalpolitikerin Katja Wolff, die gute Politik gemacht hat, also wer weiß, ob nicht irgendwo Gespräche möglich sind, auch Vernünftiges passieren kann. Aber im Moment rede ich erst mal über die Sprache, den Diskurs, die Grundhaltung, die Vorwürfe. Und das folgte einem Ziel und man sollte nicht zu dumm sein zu glauben, dass die Leute, die das machen, nicht wissen, was sie tun. Und das heißt für mich, dass sie nicht nur eine andere Politik wollen, sondern ein anderes Land. Im Grunde sägen AfD, und leider muss man das sagen zu meinem wirklichen Entsetzen, auch das Bündnis Sahra Wagenknecht mit solchen Plakaten an den tragenden Säulen dieser Republik, die wollen das System wirklich so löchrig machen oder so destabilisieren, dass sie ein ganz anderes System einführen.

POLITICO: Aber das ist die Frage. Also kann man nicht legitimerweise viel härtere Migrationspolitik und ganz andere Ukrainepolitik fordern?

Habeck: Das kann man tun. Na klar kann man das tun. Ich würde das in beiden Hinsichten in ihrer Formulierung für falsch halten. Aber klar kann man das tun. Aber jetzt habe ich darüber geredet, dass Sahra Wagenknecht, oder in ihrer Partei, aber irgendjemand wird das Plakat freigegeben haben, alle Unterstützer der Ukraine als Mörder bezeichnet. Das ist natürlich die direkte Verantwortung für den Tod. Und damit blendet sie aus, dass es Putin ist. Also das muss man doch sagen: Wenn einer ihr mordet, dann ist es er.

POLITICO: Das ist Populismus, aber es greift nicht das System an.

Habeck: Doch, weil damit ein russisches Narrativ übernommen wird, das, und das ist ja für mich so erschreckend und da haben sich ja auch sehr viele Bürgerrechtler gemeldet, was das Erbe der friedlichen Revolution ins Gegenteil umkehrt. Die Geschichte damals war ja Selbstbestimmung und auch die Möglichkeit, die Wahrheit zu sagen und nicht einem damals sowjetischen, heute russischen Narrativ einfach hinterherzuhecheln. Deswegen sind die Menschen auf die Straße gegangen, weil sie die Unwahrheit nicht mehr ertragen konnten. Nun ist das alles gewendet. Es geht nicht um Sozialismus, sondern russischen Nationalismus. Aber damit wird das bürgerrechtliche Erbe der friedlichen Revolution in der DDR in sein Gegenteil verkehrt. Und das ist schon… Was ist denn das bürgerrechtliche Erbe der friedlichen Revolution anderes als eine tragende Säule dieser Republik? Das finde ich schon, dieses russische Narrative übernehmen und sich noch bezahlen lassen dafür, das ist ja inzwischen wird immer bekannter, dass russische Trolle Sarah Wagenknechts Partei und die AfD in der Öffentlichkeitsarbeit unterstützen, China Geldzahlungen macht, Mitarbeiter Spione sind. Ich würde sagen, es ist schon sehr dicht dran, das System zu destabilisieren.

POLITICO: Also aus dem BSW und den Grünen wird keine Freundschaft mehr draus?

Habeck: Also Freundschaft, das kann man sicherlich sagen, Freundschaft wird da sicherlich nicht draus.

POLITICO: Und jetzt muss ich nochmal mit Ihnen über die Grünen reden und das Ansehen in der Öffentlichkeit. Wenn wir vier Jahre zurückblicken, da waren Sie auch schon in der zentralen Führungsposition auf der, da waren die Grünen im großen Aufschwung. Da ging es um eine Kanzlerkandidatur, womöglich sogar um zumindest den Sieg im linksliberalen Lager – wie auch immer man das nennen möchte. Jetzt sind die Grünen die polarisierende Partei. Wie fühlt sich das an? Warum ist das in Ihren Augen so? Oder was kann man da machen?

Habeck: Gar nicht als Grüner, sondern als Bürger dieses Landes, fühlt sich das nicht gut an, weil meiner Deutung nach der Zorn, die Ablehnung, die kommt ja vor allem von AfD und von dem Bündnis Sahra Wagenknecht.

POLITICO: Und von der FDP auch.

Habeck: Ja, auch von der FDP. Aber sie richtet sich im Kern dagegen, dass wir, mit all dem, was wir haben, versuchen, Ausgleich, Mitte und Lösungen herzustellen. Das heißt, die Unterstellung, dass wir das Problem sind, kann nur funktionieren, wenn man sieht, dass es eine populistische Unterstellung ist. Und der Hauptgegner des Populismus ist nicht der andere Populist. Also nicht der rechte Populismus hasst den linken Populist. Der Populismus hasst Maß und Vernunft und Mitte und und deswegen sind wir so unter Druck geraten. Wir sitzen im Bundestag in der Mitte. Es gibt keine Partei in Deutschland, die so viele verschiedene Bündnisse eingehen kann wie die Grünen. Wir sind mit der Linkspartei in Thüringen zusammen, wie mit der Union in Baden Württemberg oder Schleswig Holstein oder in Nordrhein Westfalen. Und das funktioniert alles gut. Und die FDP haben wir in Rheinland Pfalz, und das haben wir auch. Es gibt aber kein Bündnis der Linken mit der FDP oder kein Bündnis der Union mit der Linkspartei. Deswegen sind wir da in einer wirklichen anderen Rolle, und die haben wir auch bewusst gesucht. Sie hatten mich nach dem Erbe von Merkel gefragt. Ich habe die Merkellücke versucht zu beschreiben, also das Verständnis, was ein Land zusammenhängen kann, das nicht mehr beatmet wird, sondern nur noch mit Kaltem Kriegertum beantwortet wird. Diese Lücke, das ist der Ort, der verwaist ist. Und ich möchte gerne, dass wir diesen Ort, jedenfalls mit den Möglichkeiten, die wir haben, mit besetzen. Und ich würde mich freuen, wenn alle anderen auch da hingehen und dann machen wir einen konstruktiven Streit über die besten Antworten, vielleicht auch über die größte vertrauensbildende Maßnahme. Aber im Moment geht es nur darum, dem anderen möglichst viel Dreck vor die Tür zu kippen und zu sagen „Guck mal, bei mir ist sauberer“. Und der andere kippt dann den nächsten Dreck dahin. Und deswegen sind wir meiner Ansicht nach zum, wie soll ich sagen, zum Gegenpol geworden. Weil wir uns geschworen haben, und ich mir geschworen habe, und das ist meine politische Vita und meine Agenda, das Land bündnisfähig zu gestalten. Das ist der Gedanke. Als ich Parteivorsitzender war, habe ich den zweiten Teil unseres Namens, also Grüne, Bündnis 90/Die Grünen, als Auftrag begriffen, Bündnisse zu machen. Bündnisse zu machen heißt nicht, in Städten Allianzen zu sein. Also die Allianz von CSU und CDU. Die können sich gar nicht gut leiden. Also wenn Sie wüssten, wahrscheinlich wissen Sie es, was die CDU Leute über Markus Söder sagen, so redet kein Grüner übereinander, glaube ich. Die mögen sich nicht, aber sie sind fest zusammen. Das ist nicht ein Bündnis. Bündnis ist eine offene Formation, wo verschiedene Akteure – das können Kirchen, Handwerksverbände, Umweltverbände, politische Parteien sein, politische Parteien im Wechsel sein – immer versuchen, das jeweilige Problem mit einer gewissen Mehrheitsfähigkeit zu lösen. Das ist meine Idee von Deutschland und von der Gesellschaft. Aber sie ist das Gegenteil von Populismus. Deswegen, wenn sich diese Idee durchsetzt oder wir wieder zurückkehren zu dieser Idee, dann hat die AfD keine Chance.

POLITICO: Jetzt machen Sie sich mindestens das zweite Mal Gedanken um eine Kanzlerkandidatur in ihrem Leben, unterstelle ich Ihnen. Und trotzdem ist es in einer ganz anderen Situation. Wie würde Robert Habeck in so einen Wahlkampf ziehen?

Habeck: Es ist, deswegen muss man das richtig sagen, das ist genau so, wie Sie sagen, es ist eine komplett andere Situation. 2021 hatten wir Rückenwind, alle wollten mit uns regieren. Die Umfragen waren stabil bei 20 % und drüber. Und selbst in den kühnsten Träumen hätte man sich nicht vorstellen können, dass es wirklich rapide runtergeht. Und wir hatten die Möglichkeiten – ich weiß nicht, ob wir hätten wirklich die stärkste Partei werden können, das wäre so ein bisschen wie Deutschland wird im Handball doch noch Goldmedaillengewinner. Wenn alles passt, dann wird es was. Aber ein sehr guten zweiten Platz war drin. Diesmal ist das alles anders. Sie haben mich gerade gefragt, warum so viel Gegenwehr oder Gegenwind für uns da ist, davor haben wir über die Ampel-Regierung gesprochen. Es gibt kein Weg zurück zu der Unschuld vor der Regierungszeit. Man kann nicht einfach das alles abstreifen, die Verantwortung, die man übernommen hat. Und trotzdem gibt es eine Sache, die gleich ist. Nur starten wir eben genau von gegensätzlichen Bedingungen. Wir kommen von Wir sind jetzt unten und wir müssen uns wieder hoch arbeiten. Die Sache die die gleiche ist, damals wie heute: Mir geht es darum, konkrete Probleme mit konkreten Antworten, mit möglichst einer breiten gesellschaftlichen Mehrheit zu lösen.

POLITICO: Mit einer Art Yes, we can?

Habeck: Mit einer Freude. Dass man ein bisschen lachen kann über sich, vielleicht auch über Sachen, die man…

POLITICO: Die man falsch gemacht hat.

Habeck: Also ich will ja nicht über andere lachen, ja, aber dass man ein… Das Heizungsgesetz ist ein ganz gutes Beispiel. Das war eine sehr schwierige Debatte und die hat mich viel Vertrauen gekostet und nichts daran ist eine gute Geschichte gewesen. Und dann habe ich mir in den Sommerferien überlegt, nicht unähnlich unserem Gespräch, Was machst du denn damit jetzt? Und ich bin rausgekommen und habe gesagt jetzt nimmst du den Stier bei den Hörnern und machst eine Reise, um mit den Falschinformationen der Wärmepumpe aufzuräumen. Und die hat super geklappt. Also ich will mal gucken, was jetzt wird, aber es ist geradezu eine Schubumkehr gewesen.

POLITICO: Aber Sie werden nicht in den Wahlkampf gehen mit diesem Thema, wäre meine Prophezeiung.

Habeck: Zu sagen, dass das Land eine ökonomische Chance hat, indem es die Klimatechniken der Zukunft entwickelt und wir unseren Export. Niemand will 2040 mehr eine Gasheizung aus Deutschland kaufen. Das kannst du ausschließen. Aber Wärmepumpen aus Deutschland und Elektrolyseure aus Deutschland und Batterien aus Deutschland, das ist eine Chance. Das kann ich mir schon vorstellen. Also, meine Entscheidung ist, auch mit den schwierigen Entscheidungen oder schwierigen Erlebnissen und auch den Fehlern, die gemacht wurden, der letzten Jahre, den Problemen nicht auszuweichen. Und Sie fragten, lachen und freudhaft – ich will jetzt nicht sagen, man muss immer nur kichern und rumeiern, aber da hinzugehen und. Zu sagen „Jawoll, da mal eine schwierige Debatte. Aber jetzt mach mal deine Wärmepumpe an, die soll doch immer so laut sein“. Dann macht er sie an und sagt „Ich hör doch gar nichts“ und sa stehen wir alle und Lachen und sagen „Das ist ja gar keine Lautstärke, das ist ja eine Leisestärke“, das kann man schon mal machen und ein bisschen sagen „Guck mal, es kann auch Spaß machen, Zukunft zu gestalten“.

POLITICO: Dahinten ist das Wirtschaftsministerium, da werden wir uns wieder trennen. Wir haben noch 100 Meter. Sie sind rhetorisch fast schon durch die Tür gegangen. Jetzt sagen Sie uns doch bitte einmal klar, Sie werden der Kanzlerkandidat der Grünen im nächsten Wahlkampf.

Habeck: Ich habe doch gerade über die Lage gesprochen, über die Wahlkämpfe.

POLITICO: Ja und ich habe jetzt nach der Kanzlerkandidatur gefragt.

Habeck: Ja, und ich habe jetzt auch, finde ich, relativ offen meine Vorstellung von Politik dargestellt. Und es ist ja jetzt nicht so, dass man…

POLITICO: Man darf noch nicht drüber sprechen.

Habeck: Nein, das ist etwas anderes. Alle müssen sich klarmachen, auch jetzt meine Partei, was wir eigentlich wollen. Es ist jetzt nicht so, und das ist der Unterschied zu 2021, dass man sagt „Oh, da ist ein Feld bereitet, bitte lass mich den Elfmeter schießen, ich muss ihn nur reinbringen. Sondern du wirst eingewechselt und es steht vier null gegen dich. Und wenn man sagt, jetzt dreh ich das Spiel um, dann müssen alle ihre Laufwege kennen und davon hängt sehr vieles ab.

POLITICO: Aber sonst hängt man das Spiel ab, oder wie? So läuft das ja auch nicht.

Habeck: Ich möchte mich gerne in die Verantwortung nehmen lassen, also für Deutschland in die Verantwortung nehmen lassen, für meine Partei, für das Projekt, für die Demokratie, für die feste Überzeugung. Ja, das Wissen würde ich sagen, dass nur die Gestaltung der Zukunft das Land zukunftsfähig macht. Von Klimatechnik über wie wir miteinander reden und sprechen.

POLITICO: Geht es ihm darum, dass noch nicht klar ist, ob man das Kanzlerkandidat nennt?

Habeck: Nein, das ist doch ehrlicherweise ganz egal. Also das ist, wenn ich das jetzt so sagen darf, die unwichtigste Frage. Mir geht es darum, dass wir, bevor wir uns über Titel unterhalten und über Strategie, Vertrauen aufbauen müssen. Miteinander dem Land ein Angebot machen und wieder da ansetzen, wo wir 2020/2021 waren. Also diesen Bündnisdedanken, das muss jetzt nicht Bündnisgedanke heißen, aber zu sagen „Leute, wir hören zu, wir verstehen, wir lernen, wir sind bereit, unsere Position zu korrigieren. Aber grabt ihr euch auch nicht ein, in euren Position. Lasst uns versuchen, was hinzubekommen, was was Drittes, was Neues schafft“. So, das will ich gerne tun. Das ist die Idee. Und sie unterscheidet sich im Moment wirklich, das darf ich sagen, von den Ideen von allen anderen politischen Parteien. SPD hat das vielleicht noch ein bisschen, aber die CDU ist doch nicht dabei… Also die programmatische Antwort, die ich von der Union gehört habe, ist „Wir wickeln das alles wieder ab“. Das ist kein Angebot für die Zukunft, das ist ja Zerstörungswut. Da ist ja nichts Konstruktives. Und diese Konstruktivität zu leben, zu atmen, zu umarmen.

POLITICO: Das bezog sich ja auf Ihre Politik zum Teil, nicht auf die Gesamte.

Habeck: Alles heißt erst mal ziemlich viel. Dann sollen sie mir sagen, was sie nicht abwickeln wollen. Ich habe jedenfalls Herrn Kuban gefragt oder Herr Tilman Kuban, CDU Abgeordneter für die, die nicht kennen, was da eigentlich mit der Förderung der Wärmepumpe ist. Und er hat gesagt „Stellen wir in Frage“. Kann ich nur allen sagen, Leute, bevor die Union alles wieder abwickelt, kauft euch lieber jetzt eine Wärmepumpe. Aber der Gedanke dahinter ist ein anderer. Zu sagen „Die anderen sind doof, wir machen alles wieder kaputt, was die gemacht haben”, wer soll denn jemanden dafür wählen? Also das ist doch nicht interessant. Das bringt ein Land doch nicht nach vorne. So, und wir sind natürlich auch jetzt in der konkreten Regierungsarbeit, also die Grünen, sehr eingekesselt in unsere konkrete Arbeit, in die vielen Debatten und Verhandlungen usw. Und wir müssen raustretenwollen davon. Wir müssen dann einmal den Kopf hoch machen, den Horizont wiedersehen und sagen „Da wollen wir hin und das ist unser Angebot. Und jetzt gehen wir mal los und dann gucken wir mal, wie viele mitkommen”. Und darüber werden wir noch ein bisschen reden müssen. Und wenn es soweit ist, dass wir wissen, wie wir es genau machen, dann melden wir uns.

POLITICO: Jetzt stehen wir hier im Innenhof des Wirtschaftsministeriums.

Habeck: Ein sehr schöner übrigens.

POLITICO: War es das richtige Haus, was sie sich ausgesucht haben?

Habeck: Es war das perfekte Haus. Also das Haus sind ja nur Gebäude, also Teppich und Beton und Steine und Glas. Aber die Themen. Das Wirtschaftsministerium hat die letzten zehn, zwölf Jahre in Deutschland in der politischen Diskussion im Grunde keine Rolle gespielt, haben ein paar Sachen gemacht. Die Leute sind hier sehr klug und sehr fleißig, aber politisch ist das nie gelesen worden, so richtig. Und das hat sich komplett geändert. Im Grunde kaum eine Debatte, wo wir nicht mitten im Feuer waren. Energiefragen, Gasversorgung, Wirtschaftskrise überwinden und da will ich ja hin. Also so wie ich diese Wärmepumpenreise gemacht habe, ich will ja ein ein Unterschied, einen Beitrag leisten können. Insofern war das genau das richtige Haus.

Den gesamten Spaziergang mit dem Vizekanzler können Sie im Playbook Podcast nachhören.

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